x

Neue Chancen für Coldset

Artikel "Deutscher Drucker"

Die Zeitungsdruckerei CH Media Print will den Beilagendruck im eigenen Haus halten. Dazu wurden zwei Drucktürme mit LED-UV-Strahlern von IST Metz ausgestattet. Seit Januar 2023 tragen die „Akzidenzprodukte“ zur Auslastung des Schweizer Betriebs bei.

Interview: Gerd Bergmann (Deutscher Drucker)

Geschäftsleiter Heinz Meyer und Produktionsleiter Adrian Hammer haben das LED-Härtungs-Projekt in Aarau federführend vorangetrieben. Deutscher Drucker hat ihnen sowie mit Arnd Riekenbrauck, Head of Sales bei IST Metz in Nürtingen, gesprochen.

DD: Herr Meyer, können Sie uns CH Media Print kurz vorstellen?

Heinz Meyer: Unter dem Dach von CH Media Print sind die Druckbetriebe der Mediengruppe zusammengefasst. Wir haben neben dem Hauptstandort in Aarau Betriebe in St Gallen und Derendingen. In St. Gallen steht eine Wifag mit 6 Drucktürmen. Hier in Aarau haben wir 8 KBA-Drucktürme. Derendingen, das ist die Vogt-Schild AG, eine Heatset-Akzidenzdruckerei. CH Media Print hat insgesamt rund 250 Mitarbeiter, in Aarau arbeiten davon 120.

DD: Wie würden Sie denn Ihren technischen Betrieb charakterisieren?

Meyer: Wir haben schon immer den Anspruch gehabt, Innovationen in das Zeitungsdruck-Geschäft zu bringen. Angesichts der Auflagen-Rückgänge bei den Tageszeitungen stellte sich für uns die Frage, ob wir das akzeptieren. Oder ob wir dem entgegenwirken. Die Verlegerfamilie Wanner steht zum Druck und so haben wir vor rund vier Jahren das Projekt LED-Härtung gestartet − unter der Prämisse, dass wir das klassische rückläufige Zeitungsdruck-Geschäft mit neuen Produkten ergänzen können. Wir sind in der Schweiz das einzige Medienunternehmen, das Coldset-Offset, LED-UV-Druck und Heatset anbieten kann. Und mit dem Ausstieg von größeren Heatset-Druckereien in der Schweiz sind wir die einzigen, die große Auflagen mit Umfängen von mehr als 16 Seiten in einem Durchgang herstellen können.

DD: Gab es da einen auslösenden „Aha“-Moment?

Meyer: : Aha-Erlebnisse gab es jede Woche. Immer dann, wenn wir gesehen haben, wie viele Beilagen angeliefert werden. Wir haben hier Druckanlagen stehen und könnten die eine oder andere davon auch selbst drucken, auf Wickel sammeln und direkt einstecken. Dazu kommt der ökologische Aspekt: Wir haben dann keine Transportkosten.

Adrian Hammer: Zudem waren wir schon länger im Magazinbereich mit reinem Coldset aktiv. Wir haben uns früh Magazinen zugewandt. Wir produzieren Inhalte und Umschläge mit unterschiedlichen Papieren. Im Coldset-Zeitungsbereich haben wir aber bemerkt, dass wir an eine Qualitätsgrenze stoßen. Nicht wegen der Druckqualität sondern was Ablegen und Durchscheinen anbetrifft. Das hat uns daran gehindert, zusätzliche Magazine für uns zu gewinnen. Das war irgendwie auch der Punkt, wo wir erkennen mussten: Hey, mit LED-Härtung hätten wir da ganz andere Möglichkeiten.

Einer der beiden Türme der KBA Commander CT mit dem aufgesetzten Härtungs-Strahler, der Absaugung und Vorhängen.
Geschäftsleiter Heinz Meyer (l., hier mit
Produktionsleiter Adrian Hammer) adressiert mit dem Druck auf gestrichenen Papieren neue Marktsegmente.

DD: Um dieses Thema zum Erfolg zu führen, was muss man da beachten?

Meyer: Zuerst braucht es unglaublich viel Engagement und motivierte Mitarbeiter. Und wie Adrian Hammer gesagt hat: Wir wollten uns mit Heatset-Druckern messen – im Beilagengeschäft. CH Media verlegt sehr viele regionale Zeitungen und da werden wiederum sehr viele Beilagen eingesteckt. Die von anderen Druckereien produziert und angeliefert werden. Wir wollen diese Wertschöpfung bei uns halten. Wir wollten die Slots, die von den Tageszeitungen nicht mehr gefüllt werden, mit Drittkunden-Aufträgen füllen. Weil erste Resultate mit LED-Härtung sehr vielversprechend waren, haben wir das mit aller Konsequenz vorangetrieben. Aber wir mussten natürlich Lehrgeld zahlen. Heute können wir nun sagen: Wir haben den Prozess im Griff. Und wir können Großauflagen fertigen. Mit Blick auf die Kosten-Struktur sind wir natürlich mit den UV-Farben gegenüber den „klassischen“ Zeitungsdruckern etwas im Nachteil.

DD: Was bedeutet das? Gibt es einen bestimmten Auflagenbereich, den sie bedienen können?

Meyer: Vor allem kommt es auf die Umfänge an: Wir sollten nicht unter 20 Seiten gehen, denn die 16-Seiten-Maschinen haben dann zwei Durchgänge. Wir können bis 64 Seiten A4- Überformat in einem Durchgang fertigen. Auflagenmäßig sollten wir die Maschine nicht zu sehr für die Nachtproduktion blockieren. 200.000 bis 300.000 Exemplare sind so der Idealbereich, aber es kann auch gegen 2 Mio. rauf oder auf 20.000 runter gehen.

DD: Solche Produkte fahren sie aus der Maschine raus in eine Heft- und Schneid-Trommel?

Hammer: Wir könnten das auch in der Maschine heften, denn wir haben einen Strang- und einen Lagen-Hefter. Allerdings sind die Rotationsklammern nicht so ästhetisch wie die Klammern in der Ferag-Trommel. Wenn ich für den Magazinbereich produziere, dann werden einfach schöne Heftklammern erwartet. Aus diesem Grund haben wir zusätzlich noch ein Ferag Streamstich System gekauft und so können wir im Versand über zwei Linien heften Punkt und auch schneiden.

DD: Sie haben das Thema Papier angesprochen − was hat CH Media Print bislang verwendet?

Meyer: Die glänzend gestrichenen und die halbmatten Papiere von UPM funktionieren sehr gut. Auch die regionalen Papiere von Perlen. Das beginnt bei 42 g/m2 und geht bis 120 g/m2.

DD: Gibt es eine Limitierung?

Meyer: Naturpapiere mit LED-Härtung fahren bringt nicht wirklich viel. Durch die Oberflächenstruktur gewinnen diese kaum. Anders gesagt: Man sieht einen relativ geringen Unterschied zum normalem Coldset.

Arnd Riekenbrauck: SC-Papiere sehen auch richtig gut aus, vor allem wenn man sie mit Heatset vergleicht. Dann haben die eine tolle Optik und liegen wunderbar glatt. Man hat einfach nicht das Problem mit Silikonisierung und Wiederbefeuchtung.

DD: Sie müssen doch für die Maschine einen weiteren Farbkreislauf haben?

Hammer: Ja, das ist noch etwas schwierig. Als 2014 die KBA Commander CT bei uns installiert wurde, hat man zweimal zwei Drucktürme übereinander gestellt. Und jetzt ist die Situation so, dass die LED-Applikation in diesen oberen Drucktürmen erfolgt. Unser Hauptproblem besteht darin, dass UV-Farbe nur maximal 20 Meter gefördert werden kann. Also können wir mit der Farbversorgung nicht runter in den Keller. Aktuell befüllen wir die LED-UV-Farbe von Hand. Wir sind aber mit diversen Lieferanten im Gespräch und suchen nach kreativen Lösungen. Wir sind im Januar 2023 mit den LED-UV-Aufträgen gestartet. Im ersten Jahr haben wir etwa 7 Mio. Exemplare netto in diesem Verfahren produziert. Das ist schon eine ordentliche Menge − vom Gesamtvolumen bei CH Media Print Aarau ist dies etwa ein Prozent. Je höher der Anteil wird, umso mehr Rechtfertigung hätten wir, eine zweite Farbversorgung zu installieren.

DD: Das heißt, aktuell drucken Sie auf den genannten oberen Druckwerken sowohl mit LED-UVFarbe als auch mit konventioneller Farbe?

Hammer: Genau, wir produzieren im Wechsel. Wir hatten die Idee, mit Einsatz-Farbkästen zu arbeiten. Das ist an einer KBA-Maschine aber schwierig wegen der untenliegenden Farbmesser. Also haben wir jetzt selbst etwas entwickelt, dass uns hilft, um schnellstmöglich alle Farbkästen zu entleeren. Und dann haben wir mit Koenig & Bauer zusammen an den den entsprechenden Prozessen gearbeitet, so dass  wir nun maximal eine Stunde zum Wechsel auf das andere Farbsystem brauchen. Das Hochlauf-Programm hilft uns, die Zonenschrauben komplett wegzustellen und einen maximalen Duktor-Vorschub zu erzeugen.

DD: Ist es ein Problem, wenn Reste von der alten Farbe in der Maschine verbleiben?

Hammer: Wenn kleinere Rückstände da sind, ist das kein Problem. Alles, was man mit der Spachtel erwischt, ist gut. Der Rest bleibt drin.

DD: Warum haben sie dann die beiden oberen Türme für den LED-UV-Einsatz genommen?

Hammer: Bei den Türmen, die übereinander stehen, geht es relativ eng zu. Wir wollten aber eine Farbnebel-Absaugung an den LED-Härtungssystemen installieren. 

Meyer: Bei konventionellen Farben war das nie ein Thema, aber im LED-UV-Bereich sprechen von ungehärteten Photopolymeren, die wir nicht bei uns im Drucksaal haben möchten. Wir haben auch Vorhänge um den Turm und wenn unsere Mitarbeiter die Farbe einfüllen, tragen sie Schutzanzüge. Für uns war immer sehr wichtig, dass wir mit der größtmöglichen Sorgfalt gegenüber unseren Mitarbeitern agieren. Die Absauganlage hat viel Geld gekostet, aber die Gesundheit unserer Mitarbeiter hat einfach oberste Priorität. Dank der Absauganlage haben wir nun eine Luftqualität so als wenn nicht gedruckt würde.

DD: Wie sieht es mit Themen wie Gummitücher aus?

Hammer: Inzwischen gut, aber das war ein längeres Projekt. Beim ersten Test kam ein reines LED-UV-Tuch zum Einsatz, aber dann haben wir festgestellt, dass es mit den bisherigen Gummitüchern auch funktioniert und das war uns sehr wichtig. Das Gummituch muss kompatibel sein für beide Verfahren, denn umzubauen wäre für die Praxis keine Option. Die Gummiwalzen in der Maschine sind unverändert. Nur wenn wir in der Zukunft vielleicht die zwei nachgerüsteten Türme ausschließlich mit LED betreiben würden, dann würden wir andere Walzen installieren. Bei der Gummituch aschanlage setzen wir auf Baldwin mit Prepac-Reinigungstüchern. Für konventionelle Farben haben allerdings andere Prepacs als für LED-UV.

DD: Sie hatten die Sondersituation mit Covid. Aber wie lange wäre das Projekt wohl gelaufen ohne die Verzögerungen durch die Pandemie?

Meyer: Ich denke, zwischen 12 und 18 Monaten. Entscheidend ist natürlich, dass IST Metz im Bereich der Strahler von Anfang an dabei war und entsprechend unserer Maschinenbreite relativ schnell die zwei passenden Strahler bereitgestellt hat. Man braucht schon die richtigen Partner und eine unglaublich gute Planung. Dann funktioniert das. Unsere Lieferanten waren alle sehr motiviert, hier etwas zu bewegen. 

Riekenbrauck: Wir fertigen Strahler bis 3 Meter Länge mit 40 Watt Leistung pro Quadratzentimeter. Die Entwicklung ist schon weit fortgeschritten. Bei der technischen Umsetzung gibt es keine Einschränkungen mehr − sowohl was die Breite als auch was die Produktionsgeschwindigkeiten angeht.

DD: Das heißt, Sie konnten einfach in Ihren Baukasten greifen?

Riekenbrauck: IST Metz hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten mittlerweile über 50 Drucktürme im Zeitungsdruck ausgerüstet – für unterschiedliche Anwendungen wie den Beilagen- oder den Umschlagdruck. So haben wir viel Erfahrung, einerseits bei der technischen Umsetzung wie auch in Projekten. Wichtig ist, dass die Kunden genau wissen, wo sie hinwollen. Wenn man sich hier bei CH Media die Beilagen ansieht, die eine fast tiefdruckähnliche Haptik haben und keinerlei Zerstörung der Papieroberfläche, dann erkennt man, dass solche Produkte in LED-UV absolut Sinn machen.

Filtracon lieferte eine Absauganlage für
die Farbpartikel.

DD: Herr Hammer hat vorhin von 7 Mio. Netto-Exemplaren im Jahr 2023 gesprochen.

Meyer: Wir gehen davon aus, dass wir mittelfristig zwischen 5 und 10 Prozent unseres Druck-Umsatzes über diese Schiene abwickeln können. Die Verkaufsaktivitäten sind massiv gesteigert worden.

DD: Wie reagiert der Markt?

Meyer: Uns wurde immer wieder bestätigt, dass die Produkte vergleichbar mit Heatset sind. Keine Wellenbildung, sehr schöne Haptik. Große Volumen in relativ kurzer Zeit in Lean Produktion − das ist der große Vorteil wenn man aus der Struktur des klassischen Zeitungsdrucks kommt. Der Markt akzeptiert dieses Verfahren. Es gibt natürlich Ausreißer, die, wenn sie LED-UV hören, sagen: Nein, das wollen wir nicht. Aber der Großteil der Kunden akzeptiert das diese Druckvariante. Es gibt auch Werbemarkt-Kunden, die ein kleines Downgrading in Kauf nehmen, wenn der Preis stimmt.

Download PDF

Zwei Drucktürme, ausgestattet mit LED-UV-Lampen von IST METZ